Wundersam anders: Ein Verein kämpft für die Menschen in der Burg
Thorsten Gütling 18. September 2019
Seit drei Jahren sind die Mitarbeiter des Vereins Wundersam anders nahezu täglich in der Burg unterwegs. Auf einer Wiese zwischen den Plattenbauten bauen sie Spiele für die Kinder auf, basteln, schmieden, entwerfen Helden und Comics. Niemand sonst kümmere sich um die Menschen in dem Stadtteil, der vielen Bayreuthern nur deshalb ein Begriff ist, weil er als der soziale Brennpunkt in der Stadt gilt.
Das soll sich jetzt ändern. Gemeinsam mit dem Bayreuther Tagblatt haben Marion Schneider und Marco Marino vom Verein Wundersam anders zu einer Diskussionsrunde in die Burg geladen. Eine Bildergalerie finden Sie über dem Text.
Vorbild Menzelplatz
Der Einladung gefolgt sind unter anderem die Stadträte Klaus Klötzer (CSU), Thomas Bauske (SPD), Karsten Schieseck (Bayreuther Gemeinschaft), Klaus Wührl-Struller (Grüne) und Thomas Hacker (FDP). Außerdem der Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Gewog, Uwe Prokscha, der in einem anderen Brennpunkt der Stadt, der Altstadt, bereits gezeigt hat, was entstehen kann, wenn alle Helfer an einem Strang ziehen. Etwas ähnliches wie der Treffpunkt am Menzelplatz schwebt den Helfern von Wundersam anders auch in der August-Riedel-Straße im Stadtteil Burg vor.
Viele Kinder sind gekommen
Gekommen sind auch Dolores Longares-Bäumler, Migrationsbeauftragte der Bayreuther Caritas, Nancy Kamprad, Vorsitzende des Stadtjugendrings, sowie der Historiker und Stadtrat der Grünen, Norbert Aas. Zudem: Jede Menge Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die in der Burg leben und aufwachsen.
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Vor Ort wurde klar: In der Burg sprechen die Menschen kaum miteinander, dafür aber umso mehr übereinander. Da wird sich geärgert über Fußball spielende Kinder auf der sonst brach liegenden Wiese. Da wird vom Balkon geschimpft und sich über den Müll, den Lärm und den Rauch der jeweils anderen aufgeregt. Die Polizei, erzählt eine junge Mutter, sei dort oft vor Ort. Meistens nur, weil sich mal wieder irgendwer über irgendwen beschweret hat. Manchmal aber auch, weil die Heranwachsenden aus lange Weile Hecken und Container in Brand gesteckt hat. Meistens, erzählen die Kinder, liefen sie einfach nur stundenlang im Kreis über die Wiese an der August-Riedel-Straße oder hielten sich auf dem Parkplatz des nächstbesten Supermarktes auf. Es sei halt nichts zu tun.
Paradebeispiel für Rassismus
Die Burg sei ein Paradebeispiel dafür, wie Rassismus entsteht, findet Marion Schneider vom Verein Wundersam anders. Immer öfter sei zu hören, dass nicht einzelne Personen schuld an etwas seien, sondern verschiedene Nationalitäten. Ein Problem außerdem: Anwohner berichten, dass die Hausverwaltung, eine der größten in Bayern, zwar jede Menge Verbote ausspreche, selbst aber für die Sorgen und Nöte der Menschen kein Ohr habe. Marco Marion sagt, dass er seit nunmehr zwei Jahren versuche, einen Ansprechpartner für die Burg in München oder Augsburg ausfindig zu machen, am Telefon aber entweder abgewimmelt werde oder E-Mails schreiben solle, auf die er nie eine Antwort erhalte.
Rechte haben, Forderungen stellen
Unter anderem weil die Kommunikation in der Burg oft einer Einbahnstraße gleiche, sei den Jugendlichen dort gar nicht klar, dass sie auch Rechte hätten und Forderungen stellen dürften, sagt Marco Marino. Um den Kindern das beizubringen, sind Helden-Comics entstanden, deren Protagonisten anstelle der Kinder handeln.
Ziel: In ein paar Jahren zu Café oder Grillhütte
Ziel des Vereins sei es, im nächsten Jahr, nach dann vier Jahren Sozialarbeit vor Ort, alle Bewohner der Burg zu einem Bürgerforum zusammenzutrommeln um über den Bau eines Containers, eines Cafés, einer Werkstatt oder einer Grillhütte zu diskutieren. Kurzum: Über einen Platz, an dem die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bewohner behandelt werden können.
Stadträte wollen helfen
90 Minuten hören sich die Vertreter des Stadtrats die Sorgen und Nöte der Kinder, der Bewohner und des Vereins an. Dann versprechen sie: Wir suchen das Gespräch mit der Hausverwaltung. Und: Wenn der Verein Wundersam anders die Stadt mit einem Konzept in der Hand um finanzielle Hilfe bittet, werden die Stadträte nicht nein sagen. In ein paar Monaten soll in der Burg weiter diskutiert werden. Dann mit einem Vertreter der Hausverwaltung.